Autor im Interview: Mario Schlembach

Dein Protagonist und du, ihr habt denselben Beruf: Totengräber. Was fasziniert dich an dieser Tätigkeit?
Am Ende des Tages wohl einfach die Routine. Das immerwährende Sujet des Grabens, während ringsherum das Leben stattfindet. Ein Loch ausheben. Ein Loch zuschütten. Der Vergänglichkeit zuarbeiten. Ähnlich wie es Albert Camus in seinem „Mythos des Sisyphos“ beschrieben hat. Statt eines Steins rolle ich eben Särge. Und nicht zuletzt das simple Gefühl, etwas geleistet zu haben, nicht nur für sich selbst. Seit mein Papa mit dieser Arbeit begonnen hat, als ich ein Kind war, ist sie auch irgendwie Teil von mir selbst geworden. Um es mit meinem dramagebeutelten Protagonisten zu sagen, vielleicht sogar eine Berufung. Und so wie sich die Begräbnissituation gerade entwickelt, gehöre ich möglicherweise der letzten Totengräbergeneration überhaupt an, worin auch so etwas wie Poesie liegt. Der Totengräber stirbt ja aus.

Wie viele Gräber gräbt der Protagonist im Laufe des Romans?
Für jede gescheiterte Liebe eines. Vielleicht sogar mehr. Poetisch gesprochen. Rein praktisch: ca. 30 – wenn der Roman ein Jahr umspannt.

Friedhöfe sind …?
… Orte der Kontemplation. Bei Reisen besuche ich meist gleich den Friedhof, um irgendwie anzukommen – Ruhe zu finden, wo Zeit keine Rolle mehr spielt. Und literarisch betrachtet bieten Friedhöfe einen unendlichen Schatz an Lebensgeschichten.

Welche Rolle spielt Einsamkeit in deinem Roman?
Mein Protagonist gehört eher zum Typus: Krustentier. Es fällt ihm unheimlich schwer, eine Sprache zu finden, um seine Gefühle verständlich zu machen, und so zieht er sich immer weiter in sich selbst zurück, bis er eine Welt in sich geschaffen hat, die die da draußen nicht mehr braucht und sich wie ein Perpetuum mobile aus Erinnerungen und Vergangenem nährt. Der Roman, und alles was mit dem Protagonisten darin passiert, ist im besten Fall ein Aufbrechen dieser Schale, um zu sehen, was dann passiert.

Der Roman liest sich wie ein Tagebuch. Wieso hast du diese Form gewählt?
Die Form hat eher mich gewählt. Ich bin ein begeisterter Leser von Autobiographien, Briefen und Tagebüchern – quasi jeder Art von Selbstdarstellung. Für den Roman wollte ich zum Ursprung des Schreibens zurück und mich soweit wie möglich dort hineingraben – also hin zu den Momenten, bevor das Schreiben zur Literatur wird. Letztlich hat mich auch einfach die Frage interessiert: Wie lässt sich in einer überinszenierten Welt, in der jede Handlung schon Selbstdarstellung ist, sein eigenes Leben als Kitschroman deuten?

Wie setzt du die Grenzen des autofiktionalen Erzählens?
Die Grenze habe ich für mich bewusst aufgehoben, weil jedes Erzählen bereits ein fiktionaler Prozess ist. So heißt es etwa im Roman: „Authentizität ist ein Mythos für Menschen ohne Vorstellungskraft.“ Umgelegt auf den Schauspieljargon würde ich eher von einem „Method-Writing“ sprechen.

Im Roman ist zu lesen: „Das Ich möchte Wurzeln schlagen, aber die Sprache bleibt Treibsand.“ Welches Verhältnis hat der Protagonist zur Sprache?
Einerseits hätte mein Protagonist ohne Sprache seinen letzten Rettungsanker im Leben verloren. Die täglichen Notizen geben ihm Halt, wobei sie ihn andererseits am Weitergehen hindern. Zentraler Konflikt ist hier, dass er mit dem Erwachen seiner ersten Liebe zu schreiben begonnen hat und jetzt ständig alte Wunden aufkratzt. Gibt es eine Sprache für ihn ohne diese Liebe oder muss er schweigen?


Was bedeutet A. für den Protagonisten?
In jemand anderem sich selbst zu finden. Mein Protagonist lernt A. kennen, noch bevor er weiß, wer er ist oder sich auch nur irgendwelche Gedanken darüber gemacht hätte. Sein Ich erwächst aus der Liebe zu A. – ohne zu sehen, welcher Mensch ihm da gegenübersitzt. Bevor er das versteht, ist A. verschwunden und sie bleibt unbändige Sehnsucht – Unabgeschlossenes, das er nicht loslassen kann und in allen anderen Frauen zu suchen beginnt.

Lässt sich Liebeskummer von der Seele schreiben?
Akut definitiv nicht. Als Teil des Prozesses schon. Vor allem das Tagebuchschreiben bleibt ja immer ein Selbstgespräch, und ohne den Blick von außen kann es schnell zu einem Suhlen in den Eigensäften werden. Gleich wie bei der Trauerarbeit ist das Loslassen erst möglich, wenn der Blick wieder nach vorne gerichtet wird. Meist sind dafür andere Menschen und das Ausbrechen aus Gewohnheiten unabdingbar.

Welche Autor*innen bzw. welche Bücher haben dein Schreiben beeinflusst?
Für „heute graben“ die Tagebücher von Franz Kafka. Der Alltagston, der dort angeschlagen wird, in Verbindung mit literarischen Wunderstücken, hat mich immer fasziniert. „Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. Nachmittag Schwimmschule“, heißt es darin etwa, was den Kampf eines Subjekts im Wahnsinn seiner Zeit widerspiegelt. Hier entstehen Brüche in der Sprache, die in anderen Gattungen so kaum möglich sind. Und Thomas Bernhard war für mich als Autor relevant, weil ich mich während des Studiums so sehr in sein Werk und Leben vertieft habe, bis, aus irgendeinem absurden Zufall heraus, ich mit derselben Lungenkrankheit wie er diagnostiziert wurde und wir plötzlich zu Leidensgenossen wurden. Die Auseinandersetzung mit dieser Krankheit hat mir letztlich auch den Rahmen für meinen Roman geliefert. Fern von diesen zwei Autoren waren es dann hauptsächlich die Liebesschinken, die meine Mama jeden Morgen zum Frühstückskaffee las, bevor ich in die Schule musste.

Blunzengröstl, Schnitzel und Bier. Typisch Totengräber oder typisch Österreicher?
Typisch österreichische Wirtshauskultur und Omas Kochkünste. Die Menüauswahl beim Leichenschmaus ist ja leider eher monothematisch.

Heute graben, morgen …?
… ein bisserl leben vielleicht.

Vielen Dank!

Wien, 26.01.22 / Das Interview führte Roxana Höchsmann

“Dummheit” erobert die Bestsellerlisten

Übermorgen-Essay “Dummheit” von Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner hat es in den ersten Wochen des neuen Jahres auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft! Gleichzeitig ist das Buch, das mittlerweile in der 8. Auflage erscheint, in Österreich auf Platz 1 der Sachbuch-Bestseller* gestiegen!

Wir freuen uns sehr und gratulieren der Autorin zur äußerst gelungenen Analyse der zahlreichen Facetten der Dummheit!

 

*ermittelt von media control

Bloggerpreis Das Debüt 2021: “Mama” gewinnt!

Aus 93 eingereichten Titeln wurde “Mama” von Jessica Lind auf den ersten Platz des Blogger*innenpreises “Das Debüt” gewählt! Wir gratulieren der Autorin von Herzen und bedanken uns bei den Blogger*innen für ihren Einsatz und die Unterstützung!

„Das Debüt ” ist ein Bloggerpreis für Literatur, der jährlich vom Gemeinschaftsprojekt “Das Debüt” vergeben wird. Das Projekt wurde von literaturaffinen Bloggern ins Leben gerufen, um regelmäßig über die Vielfalt literarischer Debüts – die es am Buchmarkt nicht immer leicht haben –  zu berichten und zu informieren.

Auszüge aus den Begründungen der Blogger*innen:

Mikka Gottstein: „Dieser Roman ist so vielschichtig, so voller Symbolik, dass sicher keine zwei Leser:innen ihn auf dieselbe Art und Weise interpretieren werden. […] Ich konnte mich der Geschichte von der ersten Seite an nicht entziehen. Sie hielt mich gepackt, mit einem Gefühl der dräuenden Verdammnis und gleichzeitig dem Wunsch nach einer Versöhnung der Erzählerin mit sich selbst.“

Marc Richter: „Mit Mama hat Jessica Lind einen Horrorroman geschrieben, ohne so richtig in Horrorgefilde einzusteigen. Es geht um das Thema Schwangerschaft und Muttersein und wie mit all diesen Ansprüchen auch die Zeit verfliegt. Jessica Lind hat dieses Thema zu einem kammerspielartigen Thriller aufgebaut, der vom Setting stark an den Film Blair Witch Project erinnert (Wald) und von seiner gruseligen Grundstimmung auch an einen Stephen King heranreicht.“

Ines Daniels: „Gekonnt spielt Lind mit verschiedenen Elementen, bemüht romantische Topoi wie den einsamen Wanderer, den Luise immer wieder sieht, erzählt von Einsamkeit und Isolation, was bei mir kurz die Assoziation zu Marlen Haushofers „Die Wand“ geweckt hat. […] Der Roman ist gekonnt konstruiert, und Jessica Lind findet Möglichkeiten, sich einem Thema, das in den letzten Jahren vermehrt literarisch bearbeitet wird, noch einmal auf ganz andere Weise zu nähern.“

Sebastian Aufdemkamp: „Die Kombination aus der Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderwunsch/Mutterschaft und den Spannungselementen, die dem Horror–Genre entlehnt sind, ergeben einen überraschend stimmigen Mix, mit dem ich absolut nicht gerechnet habe. Dazu führen das kammerspielartige Setting und die fast schon aristotelische Reduzierung zu einer intensiven Konzentration auf Amira und ihre konfliktreiche Perspektive auf ihre Mutterrolle. Hier merkt man, dass eine Debütautorin ihr Handwerk offenbar nahezu perfektioniert hat.“

Mehr Informationen zum Preis finden Sie hier.

Frühjahrsprogramm 2022

Wir graben tief und fliegen hoch, wir schaukeln raus aus der Langeweile, wir suchen Antworten und finden Fragen für heute, morgen und übermorgen: Kommen Sie mit uns ins bunt schillernde Frühjahrsprogramm 2022!

 

SACHBUCH 

 

 

  • „Lovely Planet“ – übers verantwortungsvolle Reisen: Maria Kapeller untersucht unseren Reisetrieb und spricht dabei u.a. mit Psycholog*innen, Nachhaltigkeitsforscher*innen und Philosoph*innen über Ressourcenverschwendung und soziale Ungleichheit.

 

  • Das Streitbuch zur modernen Landwirtschaft gibt überraschende Einblicke in die Produktion unserer Grundnahrungsmittel. Timo Küntzle sieht in „Landverstand“ genau hin, um mit romantisierenden und verteufelnden Vorurteilen aufzuräumen.

 

  • Kulturanthropologin Bettina Ludwig stellt in „Unserer Zukunft auf der Spur“ unser Welt- und Menschenbild auf den Kopf. Sie zeigt, was passiert, wenn wir Konzepte wie Zeit, Geld und Hierarchie neu denken und warum Unterschiede uns weiterbringen.

 

  • „Food Feelings“ – emotionales Essverhalten erkennen: Cornelia Fiechtl beschreibt, warum psychischer und physischer Hunger nicht dasselbe sind und begleitet alle, die einen Weg zu ungezwungener Ernährung frei von schlechtem Gewissen gehen wollen.

 

 

ÜBERMORGEN: Die Essay-Reihe  

  • Spiel ist Selbstvergessenheit, Versunkenheit, innere wie äußere Bewegtheit. Spielen ist ernst, aber nimmt sich nicht ernst. Norbert Trawögers „Spiel“ ist eine freudig-optimistische Ode an das Spiel als Möglichkeitsraum.

 

  • Zu vermeintlich eintöniger Tätigkeit verdammt, lässt Isabella Feimer in „Langeweile“ ihren Gedanken freien Lauf, stemmt sich Wort für Wort gegen das Diktat der ständigen Selbstoptimierung – und landet an einem Ort, an dem auf einmal alles möglich ist.

 

LITERATUR 

  • In Mario Schlembachs neuem Roman „heute graben“ steigt ein Totengräber in einen Zug und trifft seine erste Liebe. Schlembach erweist sich als Meister des Tragisch-Komischen, das Lachen ist selbst in den traurigsten Momenten nicht weit. Tiefsinnig und höchst amüsant!

 

  • Iris Blauensteiner ist mit „Atemhaut“ ein zutiefst poetisches Portrait eines jungen Mannes gelungen, der seine Identität in einer Welt voller Automatisierungsprozesse neu definieren muss. Was ist er als Mensch noch wert, wenn seine Leistung nicht mehr benötigt wird.

 

  • Eine absurd komische Reise zum Ursprung der Angst liefert Kurt Fleisch mit seinem Briefroman „Aibohphobia“. Überraschend, verstörend und kompromisslos geht er darin der Frage nach: Wessen Wirklichkeit ist die richtige?

 

Hier die Vorschau zum Durchblättern:

Judith Kohlenberger ist für den Burgenländischen Buchpreis 2021 nominiert

Wir gratulieren Judith Kohlenberger zur Nominierung!

Alle drei Jahre bekommen die Burgenländer die Möglichkeit von je sieben Büchern aus den drei Kategorien Kinder- und Jugendbuch, Belletristik sowie Sachbuch zu wählen. Heuer kann man von 4. bis 25. Oktober 2021 in 15 ausgewählten burgenländischen Buchhandlungen und Bibliotheken mitvoten.

Hier kommt ihr zu den Votingstellen.

Judith Kohlenberger erhält Förderungspreis der Stadt Wien

Die Stadt Wien hat die Träger der mit je 4.000 Euro dotierten Förderungspreise für 2021 bekanntgegeben. In der Sparte Geistes-, Kultur-, Sozial- und Rechtswissenschaften wurde Migrationsforscherin und K&S übermorgen Autorin Judith Kohlenberger (“Wir”) ausgezeichnet.

Wir gratulieren unserer Autorin von Herzen!

 

Mehr Informationen zum Preis und den Preisträger*innen finden Sie hier.

Autorin im Interview: Jessica Lind

Was war der Impuls für deinen Roman?
Als Leserin mag ich es, mich auf unsicheres Terrain zu begeben. Wenn etwas Unerwartetes, Unheimliches in die vermeintliche Realität einbricht. Der Moment, wenn die Schwangere das Kind auf der Lichtung findet, war als Erstes da. Davon ausgehend habe ich die Geschichte entwickelt.

Was interessiert dich am Thema Mutterschaft?
Ursprünglich war es ein körperliches Interesse. Wie verändert sich der Körper einer Frau während der Schwangerschaft? Dass etwas in einem wächst, das sich der eigenen Kontrolle entzieht, hat etwas sehr Unheimliches. Fast schon eine Art Body-Horror. Das war der Ausgangspunkt. In der Auseinandersetzung mit dem Thema ist für mich dann die gesellschaftliche Komponente immer wichtiger geworden. Der Druck, als Mutter und Frau Erwartungshaltungen gerecht zu werden, erscheint mir sehr groß. Jetzt spielt mein Roman ausschließlich im Wald. Es ist also nicht leicht, dieses Außen mitzuerzählen. Ich habe mich dazu entschieden, die Gesellschaft in meine Hauptfigur einzuschreiben, schließlich sind wir alle ein Produkt unseres Umfelds und am schlimmsten sind die Stimmen in unseren eigenen Köpfen. Um diese vielen unterschiedlichen Stimmen abzubilden, ändert sich Amiras Haltung zur Mutterschaft in jedem Teil und jeweils eine andere Angst rückt in den Fokus.

Woher kommt die Faszination für den Wald? Was macht ihn so besonders als Schauplatz?
Ich bin in einem Dorf am Land aufgewachsen. Der Wald war nie weit. Er war unser Spielplatz, der Ort für Mutproben. Mich fasziniert, dass ich mich noch immer gleichzeitig aufgehoben und bedroht fühle, wenn ich im Wald bin.

Wie entwickelst du deine Figuren?
Im russischen Theater gibt es eine Schauspieltechnik, die von Wsewolod Meyerhold entwickelt wurde. Anders als beim Method Acting, wo man sich an eigene Erfahrungen erinnert und so über das Ich in die Figur findet, gibt es bei der Meyerhold-Methode bestimmte Bewegungsabläufe, die man vollführt, um so über das Außen ins Innen, zur Emotion zu gelangen. Aus der Versuchsanordnung: Mutter – Vater – Kind im Wald habe ich die Figuren entwickelt. Dabei stand ihre Funktion mehr im Vordergrund als ihre Biographie. Sie sind Archetypen. Wir erfahren sehr wenig über das Leben der Figuren außerhalb des Waldes. Es gibt auch kaum Beschreibungen über ihr Aussehen. Sie offenbaren sich vielmehr über ihre Handlungen, die nicht durch ihre Biographie motiviert sind, sondern situativ aus ihrem Archetypus entstehen. Ich befürchte, das klingt jetzt in der Theorie schrecklich mechanisch, ist es aber in der Praxis überhaupt nicht. Diese Herangehensweise hat es mir ermöglicht, mit den Figuren immer sehr im Moment, in der konkreten Situation zu bleiben, weil es ja kaum Referenzen auf die Welt außerhalb des Waldes gibt. So können die Figuren immer sehr unmittelbar handeln. Und es entsteht eine ähnliche Energie wie im Meyerhold’schen Theater.

Du bist ja während der Entstehungsphase deines Buchs selbst Mutter geworden. Inwiefern hat das dein Schreiben beeinflusst?
Sagen wir mal so, die Arbeit an dem Buch hat zur richtigen Zeit in meinem Leben stattgefunden. Ich habe damit angefangen, als ich noch kein Kind hatte und auch nicht geplant habe, bald schwanger zu werden. Dadurch konnte ich meine Vorstellung davon, Mutter zu werden, ohne den Ballast eigener Erfahrungen imaginieren. Gerade im ersten Teil geht es ja auch stark um die Erwartung, dass man es selbst ganz anders machen wird als der Rest der Welt. In dieser Zeit habe ich die Dramaturgie der Erzählung entwickelt und eine erste Fassung geschrieben, der es aber an Lebendigkeit gefehlt hat. Die „Recherche“, ein Kind zu bekommen, hat den Roman um einiges sinnlicher und auch dringlicher für mich werden lassen.

Hattest du Schreibkrisen? Falls ja, wie hast du sie gemeistert?
Beim Schreiben bin ich eigentlich relativ diszipliniert. Solange ich eine Deadline habe, kann ich relativ gut arbeiten. Ich habe aber lange nach den richtigen Verbündeten für diesen Roman gesucht und bin da durch einige Krisen geschlittert. Mir bedeutet die Geschichte viel und trotz einiger Rückschläge konnte ich sie über viele Jahre nicht loslassen. Ich glaube, sie ist von ihrer Dramaturgie her sehr speziell und lässt sich nicht leicht in eine Schublade stecken. Aber genau so etwas begeistert mich beim Lesen. Bei Kremayr & Scheriau habe ich das Gefühl, einen Verlag gefunden zu haben, der genau das ebenso toll daran findet wie ich.

Wie unterscheidet sich das Romanschreiben vom Drehbuchschreiben?
Sowohl bei Drehbuch als auch bei Prosa entwickle ich Figuren, beschäftige mich mit dem Thema, entwickle einen Handlungsbogen. Aber Drehbücher sind Vorstufen zu Filmen. Insofern sind sie Gebrauchstexte, die rein formal so geschrieben werden müssen, dass sie verstanden werden. Oberbeleuchter*innen haben wenig Interesse daran, ellenlange Beschreibungen zu lesen. Jedes Filmdepartment arbeitet mit dem Text. Sich auf das Wesentliche zu beschränken und trotzdem eine Stimmung zu erzeugen, ist eine Herausforderung und eine gute Schule. Aber es macht nicht viel Spaß, Drehbücher zu lesen. Drehbücher beschreiben ausschließlich Bilder, die dann durch die konkrete Auswahl von Schauspieler*innen, Farben, Musik, Kameraperspektive, Schnitt, und, und, und zum Leben erweckt werden. In der Literatur ist es die Wahl der Worte, die diesen Vorgang im Kopf der Leser*innen in Gang setzt. Es gibt mehr Platz für Leerstellen im Oberflächlichen, dafür kann man in die Gedanken der Figuren eintauchen. Jedes Medium hat seine besonderen Herausforderungen. Mir macht es sehr viel Spaß, in beiden Formen zu arbeiten und die Arbeit befruchtet sich gegenseitig. Ich mag kurze Sätze und einprägsame, klare Bilder.

Vielen Dank für das Interview!

Simone Hirth erhält den Reinhard-Priessnitz-Preis 2021

Der Reinhard-Priessnitz-Preis wird vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport finanziert und seit 1994 jährlich an Autor*innen vergeben, die in deutscher Sprache schreiben. Dieses Jahr wird der mit 4.000 Euro dotierte Preis an Simone Hirth verliehen.

Die Preisverleihung findet am Mittwoch, den 27. Oktober 2021, um 19.00 Uhr im Literaturhaus Wien statt.

 

Begründung der Jury:

“In derselben Weise, wie in Simone Hirths Roman Lied über die geeignete Stelle für eine Notunterkunft eine junge Frau, die alles verloren hat, sich mit Zivilisationsmüll und gestohlenen Konsumgütern eine neue Lebenswelt zusammenbastelt, montiert die Autorin verschiedene Sprachhaltungen und Textsorten, Einkaufslisten, Elternverordnungen, Briefe, Gebete und Zitate, etwa aus dem Handbuch für Betriebswirtschaften. Simone Hirths Romane ergeben ein vielgestaltiges, originelles Porträt einer zerbrochenen Welt, in der spannend mit sprachlichem Formenreichtum und mit viel Witz überraschende, ungewöhnliche Zustände und Lebenshaltungen erprobt und erfunden werden.”

 

Weitere Informationen zum Preis finden Sie hier.

Romina Pleschko ist für den Franz-Tumler Preis nominiert

Wir gratulieren Romina Pleschko zur Nominierung durch Gerhard Ruiss!

 

Die weiteren Nominierten sind:

– “Schnittbilder” von ANNA FELNHOFER Luftschacht Verlag (Nominiert von Jurorin Daniela Strigl)
– “Ein Spalt Luft” von MISCHA MANGEL Suhrkamp Verlag (Nominiert von Juror Manfred Papst)
– “Der Himmel vor hundert Jahren” von YULIA MARFUTOVA Rowohlt Verlag (Nominiert von Jurorin Jutta Person)
– “Ministerium der Träume” von HENGAMEH YAGHOOBIFARAH Aufbau Verlag (Nominiert von Jurorin Tanja Raich)

Der Franz-Tumler-Literaturpreis wird alle zwei Jahre vergeben, und zwar an einen von einer fünfköpfigen Jury ausgewählten deutschen Debütroman (Erstroman)Es handelt sich um einen Auswahlpreis, somit können keine Einsendungen vorgenommen werden. Der Preis trägt den Namen Franz Tumlers (1912-1998), eines bedeutenden Romanschriftstellers, und wird in Laas ausgetragen, weil Laas aufgrund der Herkunft von Tumlers Familie eine tiefe Beziehung zu Franz Tumler aufgebaut hat. Tumler hat seine Tante und ihre Familie gerne in Laas besucht und ein Jahr bei ihnen verbracht. Dadurch konnte er das Dorfleben gut beobachten und beschreiben. Laas will mit diesem Literaturpreis an das literarische Werk des Schriftstellers Tumler erinnern. Vor dem Hintergrund der kritischen Auseinandersetzung mit Leben und Werk Tumlers wird in Laas mit einem Preis in der Höhe von 8000 Euro junge Literatur nachhaltig gefördert, so wie es Franz Tumler selbst zeit seines Lebens, aber vor allem in Berlin, gewollt und getan hat.

Teil des Preises ist ein Aufenthalt in Laas, dieser soll dem Sieger/der Siegerin des Franz-Tumler-Literaturpreises die Möglichkeit bieten, Kultur und Landschaft des Vinschgaus nicht zuletzt auch über die Texte Tumlers besser kennen zu lernen. In Begegnungen mit interessierten Leser/innen sowie mit jungen Menschen kann der Preisträger/die Preisträgerin das eigene literarische Werk vorstellen und nahe zu bringen.

Im Rahmen des Franz-Tumler-Literaturpreises wird außerdem ein Publikumspreis vergeben, dabei bestimmen die Leserinnen und Leser der Südtiroler Bibliotheken ihren Favoriten unter den Nominierungen. Auch das Saalpublikum, das bei den Lesungen anwesend ist, kann mitstimmen. Der Publikumspreis umfasst einen dreiwöchigen Schreibaufenthalt in der Künstlerwohnung auf dem Rimpfhof und Lesungen im Vinschgau.

 

Zur Website des Preises geht es hier!