 
                  Bücher sind mir heilig
Wie viele Bücher besitzen Sie?
Etwa 400 Bücher, doch leider lagern
	die allesamt in einem Berliner Keller. Denn all die Kisten wollte
	ich dann doch nicht nach Istanbul transportieren.
Wie viele Bücher lesen Sie pro
	Monat?
Viel zu wenig, da ich aus beruflichen
	Gründen täglich Tageszeitungen und Magazine lesen muss. Für ein
	Buch bleibt da kaum Zeit. Deswegen schaffe ich pro Monat nicht mehr
	als ein halbes Buch. Im Urlaub hingegen hole ich den Verlust wieder
	nach, und lese im Eilverfahren pro Woche ein Buch.
Wie viele Minuten benötigen Sie
	für eine Buchseite?
Dies lässt sich so einheitlich nicht
	beantworten. Für eine deutschsprachige Buchseite brauche ich nur
	wenige Minuten, im Türkischen muss ich aus Verständnisgründen
	langsamer lesen. Ich habe Slawistik studiert, aber für eine
	russische Textseite brauche ich, nach einem viel zu langen Studium,
	immer noch viel zu viel Zeit.
Die besten 3 Orte, um Bücher zu
	lesen:
Es gibt nur einen einzigen Ort
	weltweit, der ideal ist, um in einer Geschichte zu versinken: eine
	Liege am Strand.
Die besten 3 Buchhandlungen:
Während des Studiums in Moskau
	entdeckte ich eine unterirdische Buchhandlung in der Nähe des
	Lubjanka-Platzes, nur wenige Minuten vom Geheimdienst FSB entfernt.
	Leider weiß ich den Namen nicht mehr, aber ich erinnere mich noch
	sehr genau an den malerischen Ort. Die kleine, unter der Erde
	liegende Buchhandlung hatte 24 Stunden geöffnet, nachts wurden die
	Lichter ausgeschaltet und Kerzen beleuchteten den Raum.
In welchen Sprachen lesen Sie?
Deutsch: 90%, Türkisch und Englisch
	zusammen: 10%
Ihr Leseverhalten print und
	digital:
Nichts geht über Papier, deswegen
	lese ich zu 95% gedruckte Texte. Was gibt es Schöneres, als
	raschelndes Papier in den Händen zu halten, oder Buchseiten
	umzublättern? Digitalgeschichten überfliege ich immer nur –
	wahrscheinlich bin ich nicht mehr zeitgemäß.
Wie viel Geld geben Sie pro Monat
	für Bücher aus?
30 Euro
Wie viele Bücher haben Sie in
	Ihrem Leben nicht zurückgegeben?
Dies würde ich niemals machen, denn
	Bücher sind mir heilig. Wer mir ein Buch leiht, bekommt es
	garantiert wieder zurück.
Wie viele ungelesene Bücher
	befinden sich in Ihrer Bibliothek?
Zumindest habe ich jedes Buch schon
	mal in der Hand gehalten.  Die wenigen ungelesenen Bücher – grob
	geschätzt handelt es sich um 10 Stück – sind schlecht
	ausgewählte Geschenke.
Die Pressefreiheit wird in der Türkei immer weiter ausgehöhlt

Wenn Sie ein Psychogramm Erdogans
	erstellen müssten, mit welchen Adjektiven würden Sie ihn
	beschreiben?
Machthungrig, unaufhaltsam
Inwiefern ist der Umbau der Türkei
	für Sie persönlich spürbar?
Die Pressefreiheit wird hier immer
	weiter ausgehöhlt, auch wir ausländischen Journalisten bekommen
	dies zu spüren. Es häufen sich die Meldungen, dass die Wohnungen
	von Korrespondenten durchsucht, Kollegen abgeschoben oder verklagt
	werden – und immer handelt es sich um Kollegen, die kritisch über
	die AKP-Regierung berichtet haben. Ich weigere mich, meine Arbeit
	durch diesen Druck beeinflussen zu lassen. Aber ich muss mich
	gelegentlich auch selbst hinterfragen, ob ich schon aus latenter
	Furcht meine Texte vielleicht nicht doch selbst zensiere. Deswegen
	ist es ungemein wichtig, einen Schritt zurückzugehen, um sich seine
	Arbeit ganz genau anzuschauen. Aber ich will überhaupt nicht
	rumjammern, denn wir Ausländer sind hier immer noch in einer sehr
	bequemen Situation. Die türkischen Kollegen bekommen die
	Repressalien mit voller Wucht zu spüren – und im Gegensatz zu
	mir, können sie nicht einfach so das Land verlassen.
Welches ist Ihr
	Lieblingssprichwort auf Türkisch?
‘Annemden emdiğim süt burnumdam
	çıktı’
„Man hat mich sogar der Muttermilch überdrüssig
	werden lassen“ oder ganz wörtlich übersetzt:  „Meine
	getrunkene Muttermilch ist mir aus der Nase herausgekommen’
Hört sich für die westlichen Ohren
	etwas befremdlich an, aber wir Orientalen mögen es halt etwas
	kitschig, übertrieben und bildstark. Diese Redewendung wird
	benutzt, wenn einem etwas besonders schwer gemacht wurde.
Womit belohnen Sie sich während
	des Schreibprozesses?
Schreiben macht einsam, alt und dick.
	Schreiben ist unsexy, vergessen Sie die Bilder des nachdenklichen
	Autors, der im Wald seinen Gedanken nachhängt. Schreiben in
	Istanbul macht einen zusätzlich noch wahnsinnig. Denn die Wege zu
	meinen Interviewpartnern nehmen immer mehrere Stunden in Anspruch,
	in denen ich in der Metro angerempelt werde, oder aber im Minibus
	Abgase einatme. Wenn ich zuhause arbeite, dann spiele ich
	zwischenzeitlich immer etwas Cello (oder tue so, als ob ich es
	könnte). Ansonsten helfen nur Rauchen, Schokolade essen
	und Bach.
In welcher Sektion einer
	Buchhandlung sind Sie am häufigsten anzutreffen und warum gerade
	dort?
Im Politikbereich, da dies meine
	Leidenschaft ist. Neben osteuropäischer Geschichte habe ich noch Völkerrecht
	studiert, was mich immer faszinierte. Für mich gibt es fast nichts
	Spannenderes, als sich mit trockener Politik zu beschäftigen.
	Ansonsten lümmle ich auch noch in der Reisesektion herum, denn im
	nächsten Leben werde ich Ethnologin und erforsche den Kaukasus.
‘Generation Erdogan’ ist ab 13. Februar im Buchhandel erhältlich!
