Autorin im Interview: Renate Silberer

Hotel Weitblick in einem Satz:
Schwierig, aber letztlich würde ich sagen: Der Mensch ist mehr als sein Beruf.

Wie bist du auf das Hotel Weitblick als Schauplatz gekommen? Was fasziniert dich daran?
Die Idee eine in sich geschlossene Gruppe in einem abgeschiedenen Hotel aufeinandertreffen zu lassen und zu schauen was passiert, wenn der Seminarleiter so ganz anderes ist als erwartet. Das hat mich interessiert.

Wie entwickelst du deine Figuren und welches Verhältnis pflegst du mit ihnen?
Ich habe eine Art Hintergrundtapete zu den Figuren. Was sie antreibt und beschäftigt, was davon nach außen dringt. Ihre Fassaden und ihr inneres Erleben, das ihnen selbst nicht immer zugänglich ist. Damit spiele ich.

Den Protagonist*innen ist ein besonderer Agenturensprech gemeinsam. Wie oder wo hast du diesen recherchiert?
Ganz klassisch, ich habe Interviews geführt.

Wer war Johanna Haarer und warum kommt sie im Buch vor?
Johanna Haarer war die Erziehungsbeauftragte im Dritten Reich. Ihr Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ wurde nach dem Krieg als „Die Mutter und ihr erstes Kind“ weiter aufgelegt und als anerkannter Erziehungsratgeber im deutschsprachigen Raum hunderttausendfach gelesen. Die nationalsozialistische Sicht auf ein Kind als Funktionsträger, das in einer möglichst dysfunktionalen Mutter-Kind-Beziehung aufwachsen soll, unbedingten Gehorsam zu leisten hat und möglichst wenig Raum für eigene Erfahrungen zur Verfügung haben soll, konnte sich unter anderem durch die Bücher von Frau Haarer bis in die 1990er Jahre weiterverbreiten und ist in unserer Gesellschaft leider nach wie vor virulent. Darüber wollte ich schreiben.

2017 sind bei uns deine Erzählungen „Das Wetter hat viele Haare“ erschienen. Wie hat sich dein Schreiben seitdem verändert?
Vielleicht bin ich spielerischer geworden, die Freude am Verknüpfen, Suchen und Finden von Zusammenhängen ist mit der Zeit noch gewachsen.

Hattest du Schreibkrisen? Falls ja, was hast du dann getan?
Oh ja, immer wieder. Ich glaube Schreibkrisen sind Teil des Schreibens. Meistens lese ich dann viel, mache mir Notizen und lass das Gelesene auf mich wirken.

Was liest du gerne? Wer zählt zu deinen literarischen Vorbildern?
Ich lese sehr gern Essays, jetzt gerade von Anna Lowenhaupt Tsing „Der Pilz am Ende der Welt“ und ansonsten lese ich vorwiegend Gedichte, immer wieder Elke Erb, südosteuropäische Lyrik mag ich zurzeit auch besonders gern.

Vielen Dank für das spannende Interview!