Autorenporträt: Joachim Reiber

Selbst ein Buch zu schreiben ist eine faszinierende Abenteuerreise (auch zu sich selbst)

‘Ein Buch ist ein
Spiegel’ – mein Leseverhalten sagt über mich aus:

Da Kremayr & Scheriau nicht
der Verlag von „Joseph und seine Brüder“ und anderer berühmter Wälzer ist, kann
ich es hier ja offen bekennen: Ich mag dicke Bücher nicht. Kann man daraus
schließen, dass ich eigentlich kein „Leser“ bin? Als „Leseratte“ hätte man mich
jedenfalls nie bezeichnen können. Aber Deutsch war mein Lieblingsfach, und das
musste ich dann auch unbedingt studieren. Warum? Weil mich die Arbeit mit und
an Texten immer fasziniert hat. Präzision und Brillanz einer einzelnen
Formulierung, das Leuchten einer Metapher, Sprachwitz, Rhythmus … Solche
Kostbarkeiten liebe ich, und wenn ich als Leser auf solche Fundstücke treffe,
lese ich einen Satz gerne auch zwei-, dreimal.

Nebenbemerkung: Allerdings hat
mir die Arbeit an „Duett zu dritt“ auch Glücksmomente mit echten Wälzern
geschenkt. Der Briefwechsel von Brahms und Clara Schumann (fast 1.300 Seiten)
oder die Tagebuch-Suiten von Alma Mahler (fast 900) – das waren echte
„Pageturner“ für mich.

Folgendes Buch habe ich (erkennbar) schon unzählige Male in Händen gehalten:
Die Antwort klingt nach
bildungsbürgerlichem Imponiergehabe, aber ich sage spontan: „Faust“. Irgendwie
war es berührend für mich, als ich die alte Ausgabe wieder aus dem Regal gefischt
habe: Ich hatte sie als Schüler anschaffen müssen (Kompliment an meine
Deutschlehrerin: Sie verlangte die kommentierte Ausgabe von Erich Trunz!), und
jetzt brauchte ich sie wieder, um ein Zitat nachzuschlagen. Die Lesespuren von
damals, die Bleistiftschichten aus Schul- und Studienzeiten: fast ein
„Urfaust“. Schön, ihn wieder getroffen zu haben.

In dieser Buchhandlung fühle ich
mich gut aufgehoben:

Auch da geht’s wohl um eine Art
Heimatgefühl: um ein Ankommen, um (geistig) aufzubrechen … Jedenfalls muss ich,
wenn ich in meiner schwäbischen Heimat bin, unbedingt in gewisse Buchhandlungen
gehen: zu Osiander in Tübingen oder in Biberach, zu Wittwer in Stuttgart. In
Wien habe ich über Jahrzehnte keine solchen Naheverhältnisse aufgebaut – in der
Innenstadt vermisse ich eine große Buchhandlung mit viel (Frei-)Raum. Eine sehr
kleine Buchhandlung in Klosterneuburg, wo ich jetzt zu Hause bin, hat mir’s
neuerdings angetan: „John’s Book Shop“. Der Inhaber, John Duran, ist jener Typ
Buchhändler, den man fragen kann: Welchen Roman sollte ich auf einer
Apulien-Reise lesen? Und der kommt dann mit Alberto Moravia daher …

Wenn ich zuhause keinen Platz
mehr für meine Bücher habe, dann …

stelle ich sie zu mir ins Büro –
das ohnehin schon ausschaut wie ein zweites Wohnzimmer. Wenn dort die Regale
übergehen, spendiere ich Einzelnes der Bibliothek des Musikvereins. Also: Entsorgung
mit beruhigtem Gewissen.

Selbst ein Buch zu schreiben ist …
eine faszinierende Abenteuerreise
(auch zu sich selbst)

Janáček war so besessen von seiner Liebes- und Sehnsuchtsfantasie, dass er keinen Rat hätte hören wollen. Und meinen schon gar nicht.

© Julia Wesely

Welche Voraussetzungen müssen für
Sie erfüllt sein, um sich auf das Schreiben einzustimmen?

Ruhe und Abgeschiedenheit. Auszeit.
Ortswechsel. Das ganze Buch wurde in Klausur geschrieben – für jedes der sieben
Kapitel war es je eine. Fast nach dem Mahler’schen „Komponierhäuschen“-Modell
habe ich mir ganz einfache Häuschen in der Steiermark gemietet, um dann in einem
Zug zu schreiben, und das in meinem eigenen Rhythmus: sehr früh raus,
vielleicht noch vor dem Frühstück zwei Stunden vor dem Laptop, das meiste am
Vormittag schaffen, und fürs in Gang-Kommen und Im-Fluss-Halten: Laufen und
steirisches Thermalwasser.

Wie entstand die Idee,
Komponisten im Beziehungsdreieck zu porträtieren?

Angefangen hat es mit meinem
Nachbarn Johannes Brahms. Tatsächlich lebe und arbeite ich schon seit mehr als
20 Jahren Tür an Tür mit ihm: seine Bibliothek (inzwischen
Unesco-Weltkulturerbe) steht im Archiv des Musikvereins, 20 Luftmeter von
meinem Arbeitsplatz entfernt. Auch wenn ich sie nicht sehe, „spüre“ ich sie. 2010,
im Schumann-Jahr, wurde es besonders deutlich für mich: durch ein Blumenalbum, das
sich hier ebenfalls erhalten hat. Clara Schumann hat es dem jungen Brahms einst
geschenkt. Er ist das zarte Zeugnis einer Liebe, die sich nicht Liebe nennen
durfte. Darüber schrieb ich einen Text für unser Magazin „Musikfreunde“. Und
daraus ist dann langsam die Idee entstanden, nicht bloß
dem Dreieck Brahms/Clara/Robert nachzugehen, sondern die Dreiecksfigur in
mehreren Musik-Geschichten aufzuspüren.

Welche der im Buch erwähnten
Dreiecksgeschichten hat Sie persönlich bewegt?

Ein persönliches Bewegt-Sein,
denke ich, ist immer vorhanden, in jeder der sieben Geschichten – auch wenn der
Blick schärfer wird wie bei Wagner oder Mahler, deren Beziehungsdramen auch
voll sind von Haarsträubendem (auch das Haarsträubende ist schließlich „Bewegung“).
Emotional tiefbewegt bin ich von der Brahms-Schumann-Geschichte – und die
kristallisiert sich in einer unglaublich berührenden Szene: Nach Jahren des
Getrenntseins besucht Clara ihren sterbenden Mann in der psychiatrischen
Anstalt, Johannes begleitet sie. Mir scheint, als wäre das eine Schlüsselszene
für vieles, jedenfalls für den „ganzen“ Brahms und seine Musik. Einen ganz
tiefen Sog hat auch die Geschichte von Mendelssohn und Jenny Lind entwickelt,
die in diesem Buch zum ersten Mal so erzählt wird … Sie hat mich vielleicht am
allermeisten ergriffen. In ihr steckt eine der irritierendsten Wahrheiten: dass
Glück nicht glücklich macht. Gegen die Sehnsucht gibt es keine Versicherung.

Stellen Sie sich vor, Sie wären
der beste Freund von Janáček und müssten ihm mit Rat in seiner
Dreiecksbeziehung zur Seite stehen. Was würden Sie ihm sagen?

In diese Verlegenheit wäre ich nicht
gekommen. Janáček war so besessen von seiner Liebes- und Sehnsuchtsfantasie,
dass er keinen Rat hätte hören wollen. Und meinen schon gar nicht. Da hätte ich
Glück gehabt. (Und er auch.)

Welches Buchprojekt liegt bereits
in Ihrer Schublade und wartet auf seine Umsetzung?

Da möchte ich fast mit einer
Anspielung auf Beethoven und seinen mysteriösen Brief an die „Unsterbliche
Geliebte“ antworten. Der lag im „geheimen Lädchen einer Cassette“. Und so
könnte es auch mit diesem Projekt sein. Es liegt im „geheimen Lädchen einer
Cassette“. Entdeckt habe ich es noch nicht.

Duett zu dritt ist ab 19. September im Buchhandel erhältlich!