Autorin im Porträt: Margret Greiner

Bücherwürmern empfehle ich, sich mit unbeirrbarer Leidenschaft durch Bücher zu nagen, zu bohren, zu graben, zu wühlen, zu fressen und sich zu mästen.

Wenn
ich ein Buch wäre, dann wäre ich … 

…am liebsten Grillparzers „Die Jüdin von Toledo“. Ein
großartiges Drama, in dem ich mich ganz wiederfinde: in der Liebe zum Theater,
der Lust, Grenzen zu überschreiten, der Sehnsucht nach romantischer Weite. Bei
Grillparzer geht die Geschichte gar nicht gut aus, aber man muss Analogien ja auch nicht bis in die letzte
Konsequenz treiben.

In
dieser Buchhandlung trifft man mich öfters an:

Buch-Palast“ in München-Haidhausen: eine kleine
Buchhandlung, die zwei Buchhändlerinnen, die ich sehr schätze, aufgemacht
haben: mutig dem Online-Buchhandel trotzend mit Enthusiasmus und erstklassiger
Beratung.

Meine
Bücher fühlen sich bei mir in der Wohnung am wohlsten …

… in
allen Räumen: die wissenschaftlichen im Arbeitszimmer, Belletristik im
Schlafzimmer, und in der Küche gibt es keine Kochbücher, sondern Biografien
von Frauen, die sich für mehr als Kochen interessiert haben.

Wenn ich Bücher geschenkt bekomme, die überhaupt nicht meinem Leseverhalten entsprechen …
… bedanke ich mich artig, aber nicht überschwänglich, sonst muss ich ja fürchten,
noch mehr von dieser Art Lektüre zu erhalten, und übereigne die Bücher der
Münchner Stadtbibliothek. Die stellt sie in den hauseigenen Flohmarkt, der sich
großer Beliebtheit erfreut. So findet jedes Buch seinen Leser (eher: seine
Leserin), und das ist schließlich das Wichtigste.

Bücherwürmern
empfehle ich …

… sich
mit unbeirrbarer Leidenschaft durch Bücher zu nagen, zu bohren, zu graben, zu
wühlen, zu fressen und sich zu mästen: zum Beispiel mit Büchern von Siri Hustvedt,
David Lodge, Alex Capus, Alice Munro, Christoph Ransmayr, Joyce Carol Oates,
Ian McEwan, Peter Esterhazy, um nur einige Schriftsteller zu nennen, die
Bücherwürmer fett und glücklich machen.

Eigentlich war es Ärger, der mich zum Schreiben gebracht hat, darüber, dass hier (wie so oft) eine großartige Frau nur als Anhängsel eines Mannes wahrgenommen wird.

Was
unternehmen Sie, um sich auf das Schreiben einzustimmen und den Schreibfluss
in Gang zu setzen?

Kaffee und Ruhe, Ruhe und Kaffee.
The early bird catches the
worm. In der Stunde um 6 Uhr in
der Frühe regt sich der Vogel Fantasie und weckt den empfänglichen Geist mit anmutigem
Gesang.

Wie ist es, sein neuestes Buch zum ersten Mal in einer Buchhandlung zu entdecken?
Der Vergleich
ist überstrapaziert, trotzdem gibt es keinen trefflicheren: Es ist, als sähe
man zum ersten Mal sein neugeborenes Kind, mit dem man sich monatelang geplagt, heiter auf seine Herztöne gelauscht, aber auch unter Last und Beschwerden
geächzt hat. Jetzt ist es da, Glück, Verheißung und ängstliches Befragen: Ob es
hält, was es verspricht? Ob es außer seiner Mutter auch andere Menschen
anlächelt? Ob es laufen lernt?

Welches
Ereignis gab den Anstoß, sich mit Emilie Flöge zu beschäftigen? 

Die Wiener
Moderne hat mich schon immer interessiert, vor allem die Secession und die
Wiener Werkstätte: Welch faszinierende Idee: das Leben völlig mit Kunst zu
durchdringen, ja Kunst und Leben gleichzusetzen. Emilie Flöge taucht immer auf,
wenn von Gustav Klimt die Rede ist. Auslöser, dieser beeindruckenden Frau
nachzuspüren, von der es viele Fotografien und rein gar kein schriftliches
Zeugnis gibt, waren die vielen Ausstelllungen zu Gustav Klimts 150. Geburtstag
im Jahr 2012, in denen Emilie Flöge immer freundliche Erwähnung als Klimts
„Muse“ fand, ohne dass sie als autonom handelnde Person wahrgenommen wurde: Sie
war als erste Modeschöpferin Europas erfolgreich und hat die Frauen nicht nur
von Mieder und Korsett befreit, sondern auch ein neues Bild von Weiblichkeit
kreiert. Recht eigentlich war es also Ärger, der mich zum Schreiben gebracht
hat, darüber, dass hier (wie so oft) eine großartige Frau nur als Anhängsel
eines Mannes wahrgenommen wird.

Welches
Detail in Ihren Recherchen zum Buch überraschte Sie?

Als ich die
400 Postkarten, die Klimt an Emilie Flöge geschickt hat, studierte, konnte ich
immer nur staunen über die unendliche Langmut und Geduld, die Emilie ihrem
Lebensmenschen erwiesen hat, einem Mann, der immer nur jammert: über das Wiener
Wetter, über die Kopfschmerzen nach einem Zechgelage, über die Pariser
Kokotten, über schlechtes Essen, über diverse Zipperlein und entsetzliche
Arbeitsunlust. Wie hat sie das ertragen? Was war ihr Geheimnis?

Wenn
Sie sich von Emilie Flöge zur damaligen Zeit hätten einkleiden lassen können,
wie hätte dieses von Ihnen in Auftrag gegebene Kleidungsstück ausgesehen?
Wie eines
dieser aufregenden Sommerkleider, in denen Klimt Emilie Flöge am Attersee
fotografiert hat: ein trapezförmig auslaufendes Gewand aus Leinen, am Hals hoch
geschlossen mit einer Kragenmanschette (auch „Hundehalsband“ genannt) und
weiten sichelförmig ausladenden Ärmeln. Am besten hätte mir das Kleid aus einem
Stoff der Wiener Werkstätte in Schwarz-Weiß gefallen. Ein üppiger Hut mit
vielen Aufbauten in Tüll wäre unabdingbar gewesen. Zu fragen, wann und wo man
denn „so etwas“ tragen konnte oder könne, kommt mir fantasielos vor: Kleider
machen Gelegenheiten, die man sich kaum erträumen kann.

Auf Freiheit zugeschnitten ist ab 25. August im Buchhandel erhältlich!